Gold und Kunst
von Klaus Dobrunz
Gold einschmelzen
Was habe ich in der Hand, wenn ich einen Goldklumpen in der Hand halte? Nicht viel! Aber er ist wertvoll, er verkörpert unter Umständen mein ganzes Vermögen. Nur was kann ich damit machen? Ich kann ihn nicht essen und im Winter hält er mich nicht warm. Ich kann ihn auf den Schreibtisch stellen und ihn angucken. Oder ich schließe ihn im Safe ein. Aber da kann ich ihn ja noch nicht einmal sehen. Ich könnte das Gold einschmelzen und daraus eine Skulptur gießen. Diese stelle ich dann wiederum auf meinen Schreibtisch. Oder ich mache daraus Schmuck und hänge es mir um den Hals
Oder ich tausche den Goldklumpen gegen Geld und kaufe mir davon viele Baumstämme und eine Unmenge an Glasperlen und Muscheln. Aus den Baumstämmen mache ich Skulpturen die für ein ganzes Museum reichen und aus den Glasperlen und Muscheln stelle ich Halsketten her. Die Holzskulpturen und die Glasperlen-Muschelketten kann ich auch nicht essen, allerdings kann ich mit den Holzskulpturen den Winter über heizen. In jedem Fall hätte ich mehr als nur den Klumpen in der Hand.
Warum aber ist der Goldklumpen so wertvoll? Weil ihn viele haben wollen! Aber warum wollen ihn viele haben? Weil ihn viele haben wollen und das schon seit mehreren Tausend Jahren.
Die Monalisa ist auch sehr wertvoll, aber warum? Weil ich sie hier erwähne! Ich kenne Porträts, die ich für sehr viel spannender halte als die Monalisa. Diese erhalten von mir eine höhere Wertschätzung als die Monalisa. Doch da ich diese hier nicht erwähne, werden sie auch nicht so berühmt wie die Monalisa und somit nicht so hoch gehandelt. Beide, die nicht erwähnten Portraits und die Monalisa, bestehen jeweils aus getrockneter Farbe auf einem Malgrund, einem Stückchen Materie an der Wand, ähnlich wie dem Klumpen in der Hand.
Die Materie Gold ist auch sehr berühmt. Es ist kaum vorstellbar, dass ein erwachsener gesunder Mensch auf dieser Welt noch nichts vom Material Gold und dessen Wert gehört hat. Wenn ich ein Portrait male, wissen erst nur wenige Menschen davon, es ist nicht sofort berühmt. Deshalb ist der Wert geringer als der des Goldes oder der Monalisa.
Der Wert einer Sache ist abhängig von der Berühmtheit und der Anerkennung. Die Qualität spielt eine untergeordnete Rolle. In dem Wort „Anerkennung“ steckt das Werb „kennen/erkennen“. Wenn ich etwas kenne, kann ich es einschätzen, also dessen Wert bestimmen. Besitze ich keine Kenntnisse, kann ich mich am allgemeinen Urteil orientieren. Meine Entscheidung wird sich also am Grad der Berühmtheit orientieren, also an dem, was andere empfehlen, die ihre Erkenntnis wiederum aus den Empfehlungen anderer haben und so fortlaufend in dieser Kette.
Bleibt noch die Möglichkeit einen Experten zu fragen, doch wer garantiert mir, ob dieser Experte aus zum Beispiel Gründen der Bequemlichkeit nicht auch nur Urteile anderer übernimmt, welche wiederum Ihrerseits Zitate als Urteile verbreiten. Es ist wahrscheinlich, dass eine Reihe von Experten auch nur an einer Art Berühmtheitskette hängen. In beiden Fällen wird man Ihnen nicht die hochqualitativen und spannenden, hier nicht genannten Portraits empfehlen, sondern die überbewertete Monalisa.
Die „Junge Kunst“, die „Zeitgenössische Kunst“ oder auch „contemporary art“ genannt, ist jene Kunst, die gerade jetzt passiert, mitten unter uns. Lebende Mitmenschen arbeiten daran und versuchen von dieser Arbeit zu existieren. Sie leisten einen wertvollen Beitrag auch für die Gesellschaft und unsere Kultur, (siehe den Text „Warum Kunst“) die Anerkennung jedoch bleibt Ihnen oft versagt. An dieser Stelle muss eine Aufforderung erfolgen: Schaut hin, erkennt was dort geleistet wird für Euch, Eure Kinder, Enkel, Urenkel usw., erkennt die Werte!
Eine verhängnisvolle Entwicklung zeichnet sich ab. Ich meine eine Tendenz wahr zu nehmen, die mich beunruhigt. Mehr und mehr Mittel sammeln sich bei immer weniger Protagonisten. Diese wiederum gelangen zu noch größerer Macht und Popularität, woraus eine wachsende Möglichkeit der Beeinflussung entsteht. Die Einflussnahme wird genutzt um noch mehr Mittel abzuschöpfen. Am Horizont ist deutlich die Entwicklung dieser verhängnisvollen Spirale zu lokalisieren. Der Basis werden die Mittel entzogen.
Wenn wir noch lange versuchen so zu tun als wäre alles in Ordnung, ist es vielleicht bald zu spät den Fokus zu verändern. Galerien, die lange im Kunstmarkt tätig gewesen sind stellen ihre Galerietätigkeit ein und widmen sich dem Kunsthandel, weil die Klassiker und die Berühmtheiten als Geldanlage gut zu verkaufen sind.
Ein Künstler, der einen Tag lang arbeitet, entwickelt neue Ideen. Ein Künstler, der am Tag seinem Brotjob nachkommen muss, dem bleibt nicht mehr viel Kraft. Monotonie in der Kunst-/Kulturszene ist die Folge. Die Zivilisation verdorrt. Wir verschwenden enormeres Kreativpotential und verlieren dabei alle.
Luft, Liebe, Leidenschaft und Idealismus reichen nicht um beim Bäcker einzukaufen und das Atelier zu beheizen.
Ohne Aussicht auf Rendite darf der Kunstkauf sein, ähnlich einer Urlaubsreise von der man in der Regel nicht reicher wieder kommt, trägt man doch etwas mit sich.
Anders ausgedrückt: Bevor Sie den Klumpen Gold in Ihrer Hand noch dreimal umdrehen, leihen Sie Ihn uns Künstlern. Wir tauschen ihn um gegen u.a. Baumstämme, Farbe und Leinwand und machen Kunst daraus – viel Kunst! So haben wir alle mehr davon. So erhalten wir Mehrwert.
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